Was wir tun, wenn niemand hinschaut

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Gedanken nach „Philosophize This!”, Episode #002 von Stephen West

Am Ende der Podcast-Episode stellt Stephen West eine einfache Frage:

Welche Tätigkeit würdest du fortsetzen – selbst ohne Publikum, Lohn oder Lob?

Diese Frage bleibt hängen. Sie räumt auf. Sie legt frei, was im Leben trägt, wenn alles andere wegfällt.

Pythagoras und die zweckfreie Freude am Wissen

Der Anlass: West spricht über Pythagoras.
Der alte Grieche hielt Wissen für wertvoll – nicht, weil es nützt, sondern weil es weise macht.

Nicht Geometrie, um bessere Häuser zu bauen.
Nicht Musik, um jemand zu beeindrucken.
Sondern Lernen als Lebensform.

Radikal. In einer Zeit, die Effizienz predigt und Rendite misst.

Beim Hören begriff ich: Diese Frage ist kein Theorie-Satz. Sie greift ins eigene Leben.

Es gibt drei Dinge, die ich tue – auch wenn niemand hinschaut

1. Menschen begleiten, bis sie stehen

Ich öffne Türen, schenke Zeit, höre zu.
Ob ein 17-Jähriger, der mit seinem Podcast-Projekt ringt, oder eine junge Frau in Kathmandu, deren Lebensweg neu beginnt: Ich bleibe dran, auch wenn es anstrengend wird.

Das ist kein Projekt.
Das ist Hingabe.
Es ist das leise Bauen einer Brücke, damit jemand sicher hinüberkommt.

2. Schreiben, um Klarheit zu gewinnen

Ich schreibe, um zu verstehen.
Nicht, um zu glänzen. Nicht, um Klicks zu sammeln.

Ein Text zwingt zur Ordnung.
Er schärft den Blick, trennt Wichtiges von Lärm.
Manchmal entsteht beim Schreiben ein Gedanke, der vorher keinen Namen hatte. Dann weiß ich: Dafür lohnt sich jede Stunde.

Auch das ist Brückenbau – von der Erfahrung zum Verstehen.

3. Kulturen verbinden

Deutschland und Nepal. Schule und Technologie. Buddhistische Stille und europäische Philosophie.

Ich bewege mich zwischen diesen Welten und halte die Verbindung.
Ich tue das nicht, weil es mir nützt.
Ich tue es, weil Menschen wachsen, wenn Kulturen sich öffnen – und weil ich dabei mitwachse.

Wieder eine Brücke. Unsichtbar, aber tragfähig.

Was bleibt

Diese drei Tätigkeiten haben etwas Gemeinsames:

Ich würde sie weitertun, auch wenn niemand zusieht.
Sie verlangen keine Gegenleistung.
Sie nähren mich, weil sie Sinn geben.

Vielleicht ist das der Kern dessen, was Pythagoras meinte:
Wahrheit suchen, weil sie leuchtet – nicht, weil sie auszahlt.

Eine Frage für dich

Welche drei Tätigkeiten würdest du notieren, die du weiterführen würdest – auch im Stillen?
Und welche davon trägt dich am meisten?

30 Minuten reichen, um es herauszufinden.


English version below


What We Do When No One Is Watching

Reflections inspired by “Philosophize This!”, Episode #002 by Stephen West

At the end of the episode, Stephen West asks a simple question:

Which activity would you continue even without an audience, a reward, or recognition?

The question lingers. It strips things down. It reveals what truly sustains a life when everything else falls away.

Pythagoras and the Joy of Knowledge for Its Own Sake

The occasion: West talks about Pythagoras.
The old Greek valued knowledge—not because it was useful, but because it made one wiser.

Not geometry to build a better house.
Not music to impress anyone.
But learning as a way of life.

Radical, in a time that worships efficiency and measures everything by its return.

As I listened, I realized: this question is not an abstract idea. It reaches straight into one’s own life.

Three things I do—even when no one is watching

1. Standing with people until they can stand on their own

I open doors, offer time, listen.
A 17-year-old struggling with his podcast project, a young woman in Kathmandu rebuilding her life—I stay, even when the path gets difficult.

This is not a project.
This is dedication.
It is the quiet work of building a bridge so someone else can cross safely.

2. Writing to gain clarity

I write to understand.
Not to shine. Not to chase clicks.

Writing forces order.
It sharpens the view, separates the essential from the noise.
Sometimes a thought appears that had no name before. Then I know: the work was worth it.

This too is bridge-building—from experience to understanding.

3. Connecting cultures

Germany and Nepal. Schools and technology. Buddhist stillness and European philosophy.

I move between these worlds and keep the connection alive.
I do it not because it benefits me,
but because people grow when cultures meet—and I grow with them.

Another bridge. Invisible, yet strong.

What remains

These three activities share one truth:

I would continue them even if no one watched.
They require nothing in return.
They nourish me because they carry meaning.

Perhaps this is what Pythagoras was pointing to:
seeking truth because it shines, not because it pays.

A question for you

Which three activities would you keep doing—even in silence?
And which one sustains you the most?

Take 30 minutes. It’s enough to find out.