Nähe. Distanz. Und der Raum dazwischen.

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Dieser Text erzählt von dem Moment nach der Nähe – und von alten Gefühlen, die dort manchmal auftauchen. Nicht als Anleitung, sondern als Beobachtung, die vielleicht mit jemandem spricht.

Es gibt Abende, an denen zwei Menschen miteinander lachen, über Bildschirme hinweg. Zwei Stimmen, die sich finden. Zwei Gesichter, die für einen Moment alles Andere vergessen.

Und dann endet das Gespräch.

Der Bildschirm wird schwarz. Der Raum ist derselbe wie vorher. Und doch fühlt er sich nun größer an.

Wir wissen, dass nichts passiert ist. Aber der Körper weiß etwas anderes. Er erinnert.

Ich denke an Sam und Lina.

Sam lebt einige Zeit im Ausland. Neues Licht, fremde Geräusche, Menschen auf einer anderen Straße. Lina sitzt zu Hause, im vertrauten Zimmer, mit dem Geruch von aufgekochtem Wasser und dem leisen Summen des Kühlschranks.

Sie sprechen jeden Abend. Sie lachen. Sie erzählen. Sie sind nah.

Dann sagen sie: „Bis morgen.“

Ein Klick. Stille. Vielleicht tropft draußen Regen an die Fensterbank. Vielleicht fährt unten ein Auto vorbei. Das Übliche. Nur innen bewegt sich etwas.

Lina spürt, wie die Brust enger wird. Nicht schlimm, aber deutlich. Ein Nachhall. Wie ein Echo aus einer Zeit, in der Nähe nicht blieb, sondern ging.

Das Nervensystem kennt solche Nachklänge. Wer früh Abschiede erlebt hat, spürt manchmal nach Nähe zuerst Alarm statt Ruhe. Nicht bei allen. Aber bei vielen.

Es ist kein Gedanke. Es ist Erinnerung mit Puls.

Ich kenne auch Menschen wie Mira. Sie sagt: „Ich habe Schwierigkeiten mit Vertrauen.“ Sie meint nicht: „Du bist gefährlich.“ Sie meint: „Ein Teil von mir weiß noch nicht, wie man sich ausruht.“

Wenn Mira das sagt und jemand antwortet: „Du kannst mir doch vertrauen,“ zieht sich etwas zusammen.

Denn Vertrauen wächst nicht durch Überzeugung. Sondern dadurch, dass jemand dableibt, während Unsicherheit noch im Raum ist. Wenn niemand drängt. Wenn niemand erklärt. Nur bleibt.

Vielleicht ist das alles gar nicht kompliziert. Vielleicht braucht es nur kleine Sätze, die nichts reparieren wollen.

Sätze wie:

„Ich höre dich.“

„Bleib kurz hier.“

„Ich bin noch da.“

Nicht als Technik oder Methode. Sondern als Haltung.

Ich stelle mir vor, Sam und Lina sprechen wieder miteinander. Wieder Nähe. Wieder Wärme.

Kurz vor dem Auflegen atmet Lina aus. Sie kennt die Enge inzwischen. Sie sagt leise:

„Es wird gleich eng. Das ist alt. Ich bleibe.“

Sam antwortet:

„Ich auch.“

Kein Trost. Kein Plan. Nur ein kleiner Schritt nebeneinander.

Und diesmal fällt niemand.

Später trinken sie vielleicht Tee. An zwei Orten. Aber in demselben Raum dazwischen. Dem Raum, in dem Liebe nicht lauter wird, sondern stiller. Und gerade deshalb bleibt.


English version below


This text speaks about the moment after closeness – when old feelings sometimes rise. Not as instruction, but as an observation that may speak to someone.

Closeness. Distance. And the space between.

There are evenings when two people laugh together across screens. Two voices finding each other. Two faces holding a shared moment.

And then the call ends.

The screen goes dark. The room is the same as before. Yet it feels larger now.

We know nothing has happened. But the body remembers something else.

I think of Sam and Lina.

Sam lives abroad for a while. New light, unfamiliar sounds, another street outside the window. Lina is at home, in a familiar room, with the smell of boiled water and the soft hum of the refrigerator.

They talk every evening. They laugh. They share stories. They are close.

Then they say, “Talk tomorrow.”

A click. Silence. Maybe rain taps the window. Maybe a car passes outside. Ordinary life continues. Only something inside has shifted.

Lina feels her chest tighten. Not painfully, but clearly. An after-echo. As if a door inside moves on its hinges.

The nervous system knows such echoes. For those who learned early that closeness can leave, the body sometimes answers closeness with alarm before it finds calm. Not everyone. But many.

It is not a thought. It is memory with a heartbeat.

I know people like Mira, too. She says, “Trust is hard for me.” She does not mean, “You are unsafe.” She means, “A part of me has not yet learned to rest.”

When she says this, and someone answers, “But you can trust me,” something closes.

Because trust does not grow from being convinced. Trust grows when someone stays — while uncertainty is still in the room. When no one pushes. No one fixes. Only stays.

Maybe it is not complicated. Maybe it only needs small sentences that do not try to repair anything.

Sentences like:

“I hear you.”

“Stay with me a moment.”

“I’m still here.”

Not as technique. Not as strategy. As a way of being.

I imagine Sam and Lina talking again. Warmth returning easily.

Just before they say goodbye, Lina breathes out. She knows the tightening now. She says softly:

“The feeling is coming. It’s old. I’m here.”

Sam says:

“Me too.”

No comfort speeches. No solutions. Just the smallest step side by side.

And this time, no one falls.

Later, perhaps they drink tea. In two places. Yet in the same space between them. The space where love does not become louder — only quieter. And by being quieter, it remains.