Flexibilität und Zuversicht: Yeshis Kampf für Bildungschancen in Nepal 

Gestern führte uns der Weg zu Yeshis ehemaliger Schule. Von außen ein unscheinbares Bürogebäude ohne Schulhof oder andere schulische Einrichtungen, doch für Yeshi ein Ort voller Erinnerungen und Hoffnungen. Hier, wo sie einst den Abschluss der 10. Klasse erlangte, wollte sie das Bestätigungsschreiben abholen, das ihre Identität als Hishsi und Yeshi offiziell anerkennt. Die Dokumentation dieser Namensabweichung ist entscheidend, um ihre Bildungs- und Berufspläne weiterverfolgen zu können.

Yeshi trat diesmal alleine in das Büro. Nach zwanzig Minuten kehrte sie mit dem Schreiben in der Hand und einem erleichterten Lächeln zurück. Ein erster, aber wichtiger Erfolg inmitten all der bürokratischen Hürden.

Unser nächstes Ziel war ein Büro des National Examination Boards (NEB) in Swoyambhunath, wo wir hofften, die nächste Etappe erfolgreich abzuschließen. Die Busfahrt verlief problemlos, doch am Zielort mussten wir uns durchfragen. Niemand schien das Büro zu kennen. Ein Anruf beim Schulleiter brachte schließlich die erlösende Antwort. Für die letzte Strecke nahmen wir ein Taxi und fanden das Büro schließlich versteckt in einer Nebenstraße.

Kaum angekommen, keimte erneut Hoffnung auf – doch nur für kurze Zeit. Ein Beamter erklärte, dass Änderungen an Abschlusszeugnissen aufgrund eines neuen Gesetzes nur noch für Dokumente vorgenommen werden, die maximal fünf Jahre alt sind. Yeshis Zeugnis, das älter ist, fällt nicht unter diese Regelung. Enttäuschung machte sich breit.

Auf der Rückfahrt sprach ich mit Yeshi über ihre nächsten Schritte. Die Schule in Pharping hat ihr ein großartiges Angebot gemacht: Sie kann dort als Erzieherin oder Lehrerin arbeiten und sich parallel weiterbilden. Besonders im Bereich der Kinderpsychologie möchte sie sich spezialisieren. Ich ermutigte sie, Fortbildungen zu besuchen und ihr Netzwerk zu erweitern – vielleicht sogar durch einen eigenen Vlog, in dem sie über ihre Erfahrungen und Erkenntnisse berichtet. Yeshis Fähigkeit, starke persönliche Beziehungen aufzubauen, könnte ihr dabei sehr zugutekommen.

Wer weiß? Vielleicht eröffnet sich in den kommenden Monaten doch noch ein Weg, das 10.-Klass-Abschlusszeugnis mit der amtlichen Identitätsbestätigung für das 12.-Klass-Examen anerkennen zu lassen. In einem Land wie Nepal, wo Flexibilität oft die entscheidende Rolle spielt, sollte man immer mit überraschenden Möglichkeiten rechnen.

Das Bildungssystem in Nepal: Herausforderung und Struktur

Das nepalesische Bildungssystem folgt einem strengen 5-3-2-2-Modell. Die ersten fünf Jahre verbringen die Schüler:innen in der Primary School, in der grundlegende Fähigkeiten wie Lesen, Schreiben und Rechnen vermittelt werden. Danach folgen drei Jahre in der Lower Secondary School, die die Schüler:innen auf anspruchsvollere Inhalte vorbereitet. Zwei weitere Jahre in der Upper Secondary School enden mit der 10. Klasse und dem Erwerb des SEE (Secondary Education Examination), früher bekannt als SLC (School Leaving Certificate). Dies ist ein zentraler Meilenstein, da es den Zugang zur höheren Bildung ermöglicht.

Die letzten zwei Jahre, das sogenannte College, bereiten auf die Universität vor und schließen mit dem 12.-Klass-Examen ab. Diese Abschlussprüfung wird vom National Examination Board (NEB) organisiert und ist für eine akademische Laufbahn unerlässlich. Allerdings erschwert das streng geschlossene System Quereinstiege oder Änderungen, da jede Stufe formell mit einem gültigen Abschlusszeugnis nachgewiesen werden muss. Das ist die Hürde, vor der Yeshi jetzt steht.

Am Ende des Tages überwog trotz aller Rückschläge die Zuversicht. Yeshi hat den Mut, ihren Weg weiterzugehen – und ich werde sie weiterhin begleiten.

Bild: © 2025 J. Beckmerhagen. Yeshi im Dschungel der Bürokratie