Feinstaub und Grippe – oder: Wie ich lernte, den Smog zu lieben

Morgens schaue ich gerne von der Terrasse meines kleinen Hauses im Norden von Kathmandu in Richtung Südwesten. Wenn ich die Bergketten sehe, weiß ich: Alles gut. Die Luft ist klar, mein Herz ist leicht, der Tee schmeckt besser. Wenn ich sie nicht sehe – so wie seit Tagen – weiß ich auch: Alles klar. Nur eben im wörtlichen Sinne nicht.

Statt majestätischer Himalaya-Silhouetten sehe ich nur ein tristes Grau, das sich zwischen Himmel und Erde quetscht. Wie ein vergessener Vorhang aus einem verrauchten Wirtshaus. Passend dazu die Nachrichtenlage: Freunde und Freundinnen sagen geplante Unternehmungen ab. Fieber, Husten, Heiserkeit, Schnupfen, Kopfschmerzen. Das übliche Grippebuffet, jetzt auch in Kathmandu. Mich hat’s letzte Woche erwischt – und zwei Tage später auch meine Patentochter. Familienfreundlich, dieser Virus.

Natürlich fragt man sich gleich: Woher kommt das alles? Wer ist schuld? Und wie so oft finden wir schnell: den Feinstaub.

Als geborener Westeuropäer fällt mir als Erstes der Verkehr ein. Tausende Motorräder, Roller, Autos, LKWs und Busse kämpfen sich täglich durch den Talkessel – mit dem Feingefühl eines Presslufthammers. Die Nepalesen hingegen zeigen Richtung China oder Indien: Dort sei die Quelle allen Übels. Wieder andere geben dem Staub die Schuld, den unbefestigte Straßen in wahren Sandsturm-Operetten gen Himmel schicken.

Mein Vermieter, ein Mann mit lokalem Durchblick, hörte sich meinen Husten an, nickte weise und sagte: „Feinstaub. Du solltest besser fünf bis sieben Tage drinnen bleiben.“ Ich habe mich für die realistischere Lösung entschieden: Maske auf – nicht schön, aber selten – und raus. Für meinen Schutz. Und zur Freude anderer, die keine Lust auf mein keuchendes Sopran-Solo im Supermarkt haben.

Und jetzt wird’s spannend. Denn natürlich hat man als Mitteleuropäer sofort ein Bild vor Augen: armes Land, uralte Dieselstinker, Umwelt gleich null. Doch halt! Mein Vermieter, der sich über die Luft beschwert, fährt nicht nur ein, sondern gleich zwei Autos mit Verbrennermotor. Warum keine Elektroflitzer? „Ich bekomme für die alten Dinger keinen guten Preis“, sagt er achselzuckend. Kapitalismus, ganz simpel.

Doch der Eindruck täuscht: Gefühlt (!) fahren in Kathmandu mehr Elektroautos, -busse und -scooter als in Deutschland. Kein Scherz! Gut, China liegt gleich nebenan – und Elektrofahrzeuge sind dort so alltäglich wie Nudelsuppe. Aber viele dieser flüsterleisen Flitzer stammen nicht aus Peking, sondern aus den Werkhallen der indischen Firma Tata. Made in India, powered by Akku.

Und ja, ein weißer BMW iX1 – das Modell, das ich auch in Deutschland fahre – ist mir hier auch schon begegnet. Zweimal sogar. Ein Hauch von Heimat im Smog.

Fazit? Kathmandu ist nicht rückständig, sondern elektrisch in Bewegung. Nur eben durch dichten Staub. Und die Grippe? Die kommt und geht. Der Feinstaub bleibt.

Aber wenn ich die Berge im Südwesten wieder sehe – dann weiß ich: Die Welt da draußen existiert noch. Ich atme auf – durch meine Maske.