Citizen Science und wilde Bienen: Chancen und Herausforderungen
Am vergangenen Wochenende verfasste ich einen Beitrag über die Verhaltensforschung bei Tieren und erwähnte dabei auch James Fosters faszinierende Studien über Bienen. Heute möchte ich dieses Thema vertiefen, denn James Foster hatte mich soeben auf eine spannende Studie hingewiesen, die einen oft übersehenen Bereich der Bienenforschung beleuchtet: die freien, wildlebenden Honigbienenkolonien, die außerhalb der von Imkern bewirtschafteten Bienenstöcke existieren.
Die westliche Honigbiene (Apis mellifera) ist ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Ökosystems, insbesondere durch ihre unermüdliche Bestäubungsarbeit. Bisher stammten die meisten Erkenntnisse über Honigbienen aus kontrollierten Umgebungen, also aus Bienenstöcken, die von Imkern gepflegt werden. Doch wie sieht das Leben der frei lebenden Bienenvölker aus? Hier setzt die neue Studie an, die in München und anderen Teilen Deutschlands durchgeführt wurde und über sieben Jahre hinweg das Verhalten und Überleben dieser Bienen untersucht hat.
Die Studie enthüllte, dass frei lebende Bienen in den unterschiedlichsten Umgebungen nisten: in Städten, auf dem Land und in Wäldern. Besonders bemerkenswert ist, dass ein Großteil der Nester in alten Bäumen gefunden wurde, wobei die Bienenarten klare Präferenzen für bestimmte Baumarten zeigten – in städtischen Gebieten etwa Linde und Esche. Dies verdeutlicht, wie stark diese Bienen trotz der fortschreitenden Urbanisierung auf ihre ursprünglichen Lebensräume angewiesen sind.
Ein zentrales Ergebnis der Studie ist jedoch die alarmierend geringe Überlebensrate der Bienenvölker. Nur etwa 12 % der überwachten Völker in München überlebten jedes Jahr. Diese Zahl steht im Einklang mit anderen Untersuchungen, bildet jedoch einen scharfen Kontrast zu den 29 % Überlebensrate, die durch Citizen Science-Projekte gemeldet wurden – hier zeigt sich ein möglicher Beobachtungsbias: In vielen Fällen wurden sterbende oder verlassene Nester möglicherweise gar nicht gemeldet.
Citizen Science hat sich als wertvolles Instrument erwiesen, um Daten über wilde Bienenvölker zu sammeln. Doch die Studie zeigt auch, dass die Qualität dieser Daten stark variiert und oft unvollständig ist. So wurden fast die Hälfte der Berichte über den Winterzustand der Bienenvölker zu spät abgegeben und mussten ausgeschlossen werden.
Warum ist diese Forschung so bedeutsam? In Zeiten, in denen das Bienensterben in den Schlagzeilen steht, sind frei lebende Bienenvölker ein Zeichen der Widerstandskraft. Doch sie sind keine selbsttragende Population. Vielmehr befinden sie sich in einem „liminalen“ Zustand – weder vollständig wild noch vollständig domestiziert. Diese Bienen stehen symbolisch für die enge Verflechtung zwischen Mensch und Natur.
Zusammenfassend leistet die Studie einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der ökologischen Dynamik und der Bedürfnisse dieser Bienenkolonien. Die Erkenntnisse sind auch wertvoll für künftige Naturschutzstrategien, denn sie machen deutlich, wie wichtig es ist, alte Wälder zu schützen und Nistplätze in urbanen Gebieten zu erhalten.
Ich finde es beeindruckend, wie die Verhaltensforschung uns hilft, mehr über das geheime Leben dieser Insekten zu erfahren. Vielleicht sollten wir unseren Blick in der Natur öfter auf solche versteckten Welten richten – es gibt noch viel zu entdecken.
Hier geht es zur Studie: https://www.biorxiv.org/content/10.1101/2024.08.02.606354v2