Ein Tag an der Stupa in Boudha – Begegnung mit Tradition, Gemeinschaft und Lohsar

Junge: „Was gibt mir Halt, wenn sich alles um mich verändert?”
Elefant: „Die Gemeinschaft um dich. In guten wie in schweren Zeiten tragen dich die, die dich lieben und denen du vertrauen kannst.”
Die Stupa von Boudha, auch Bodnath-Stupa genannt, ist ein Ort, der Zeit und Raum auf wundersame Weise verschmelzen lässt. Heute aber war die Atmosphäre noch lebendiger als sonst: Es wurde Sonam Lohsar gefeiert, das Neujahrsfest der Tamang-Gemeinschaft. Überall waren festlich gekleidete Menschen zu sehen, die ihre farbenprächtigen Trachten trugen. Der Ort schien in ein Kaleidoskop aus Farben, Klängen und Freude getaucht zu sein.

Die Tamang, eine der bedeutendsten ethnischen Gruppen Nepals, feiern Lohsar zu Beginn des neuen Jahres nach dem tibetischen Mondkalender. Es ist eine Zeit der Erneuerung, ein Fest des Neubeginns. Familien kommen zusammen, um mit Tänzen, Musik und traditionellen Speisen das neue Jahr willkommen zu heißen. Auch wir wurden eingeladen, an den Feierlichkeiten teilzunehmen.
Tradition und Spiritualität an der Stupa
Schon beim Betreten der Stupa umfängt uns die besondere Energie dieses Ortes. Die Gebetsfahnen flattern im Wind, während das Klirren der Glocken und das leise Murmeln der Mantras eine meditative Ruhe verbreiten. Heute mischen sich jedoch die rhythmischen Klänge traditioneller Tamang-Musik darunter. Menschen tragen festliche Gewänder, leuchtende Farben und kunstvolle Stickereien. Es sind keine zufälligen Kleidungsstücke – sie sind ein stolzes Symbol für die Verbundenheit mit ihrer Kultur und ihren Vorfahren.

Yeshi führt uns wie immer um die Stupa. Gemeinsam mit den Pilgern schreiten wir im Uhrzeigersinn, während Gebetsmühlen im Gleichklang mit den Mantras rotieren. „Om Mani Padme Hum“ – die Silbe hallt in meinem Kopf nach. Für die Gläubigen ist dieser spirituelle Kreisgang eine Übung der Reinigung und Erneuerung, heute jedoch scheint alles noch symbolischer.
Eine Einladung zu Gemeinschaft und Gesprächen
Nach dem Rundgang treffen wir uns mit einer Familie aus der Khawa-Dolakha-Region. Sie sind eigens für das Fest nach Boudha gekommen. Die Familie erzählt von ihrem Alltag in den Bergen, von den Herausforderungen, aber auch von der besonderen Stärke der Gemeinschaft. Yeshi kennt die Familie aus ihrer Zeit, als sie in einem Kindergarten im Himalaya gearbeitet hatte. Daher die herzliche Verbindung zu den beiden Kindern.

Die Magie der Feierlichkeiten bei Nacht
Als die Sonne langsam hinter dem Horizont verschwindet, beginnen die vielen Lichter um die Stupa zu flackern. Trommeln erklingen, und Gruppen von jungen Menschen tanzen in traditionellen Formationen. Die Menschen feiern nicht nur ein neues Jahr, sondern auch ihr gemeinsames Dasein – eine Verbundenheit, die über Generationen hinweg Bestand hat.
Ich denke an die vielen Menschen, die ich während meiner Zeit hier getroffen habe. Die tief verwurzelte Kultur, die enge Gemeinschaft und die beeindruckende Gelassenheit der Menschen hinterlassen in mir einen bleibenden Eindruck. Nepal zeigt mir immer wieder, dass es nicht die äußeren Umstände sind, die uns prägen, sondern die Stärke unserer sozialen Bande.
Reflexionen über Gemeinschaft und Heimat
In Nepal scheint niemand wirklich allein zu sein. Die Familie und die Gesellschaft bieten ein Rückgrat, das auch in schwierigen Zeiten trägt. Es ist eine andere Form von Sicherheit, eine, die in Deutschland oft fehlt. Während wir im Westen oft über Effizienz, Produktivität und Privatsphäre sprechen, steht hier das kollektive Leben im Mittelpunkt.
Ich lasse meinen Blick ein letztes Mal über die Reihen der Pilger schweifen, die in einer stillen Eintracht um die Stupa kreisen. In dieser Nacht nehme ich eine besondere Lehre mit: Gemeinschaft und Tradition sind die wahren Fundamente unseres Lebens. Und heute, am Tag des Sonam Lohsar, habe ich das besonders intensiv gespürt.
English version below

Boy: „What gives me support when everything around me is changing?“
Elephant: „The community around you. In good times and in hard times, you are supported by those who love you and whom you can trust.“
The Boudha Stupa, also known as Bodnath Stupa, is a place where time and space seem to merge in a miraculous way. But today, the atmosphere was even livelier than usual: Sonam Lhosar was celebrated – the New Year festival of the Tamang community. Everywhere, festively dressed people in colorful traditional garments could be seen. The place was immersed in a kaleidoscope of colors, sounds, and joy.

The Tamang, one of Nepal’s major ethnic groups, celebrate Lhosar at the beginning of the new year according to the Tibetan lunar calendar. It is a time of renewal, a festival of new beginnings. Families come together to welcome the new year with dancing, music, and traditional food. We were also invited to take part in the festivities.
Tradition and Spirituality at the Stupa
From the moment we enter the stupa, we are embraced by its special energy. Prayer flags flutter in the wind, while the soft chiming of bells and murmured mantras create a meditative stillness. Today, however, these are accompanied by the rhythmic sounds of traditional Tamang music. People wear festive garments – bright colors and intricate embroidery. These are no random outfits – they are a proud expression of cultural identity and heritage.

As always, Yeshi leads us around the stupa. Together with the pilgrims, we walk clockwise, prayer wheels turning in sync with the mantras. “Om Mani Padme Hum” – the syllable echoes in my mind. For believers, this spiritual circumambulation is an exercise in purification and renewal – today, even more symbolic than usual.
An Invitation to Community and Conversation
After the walk, we meet a family from the Khawa-Dolakha region. They came to Boudha specifically for the festival. The family tells us about their everyday life in the mountains – about the challenges, but also the strength of their community. Yeshi knows them from her time working in a kindergarten in the Himalayas. Hence, the warm bond with the two children.

The Magic of Nighttime Celebration
As the sun slowly sets, lights begin to flicker around the stupa. Drums sound, and groups of young people dance in traditional formations. People are not only celebrating a new year, but also their shared existence – a bond that has lasted across generations.
I think of the many people I’ve met during my time here. The deeply rooted culture, the close-knit community, and the impressive calm of the people have left a lasting impression. Nepal keeps reminding me that it’s not external circumstances that shape us, but the strength of our social bonds.
Reflections on Community and Belonging
In Nepal, no one truly seems alone. Family and society provide a backbone that carries even through difficult times. It’s a different kind of security – one that is often missing in Germany. While in the West we often focus on efficiency, productivity, and privacy, life here centers around the collective.
I let my gaze wander one last time over the rows of pilgrims walking in silent harmony around the stupa. On this night, I take with me a special lesson: community and tradition are the true foundations of life. And today, on the day of Sonam Lhosar, I felt that more deeply than ever.