Eine kleine Enttäuschung und die fröhlichste Pizzeria der Welt

Stellen Sie sich vor, Sie kommen in eine Industriemetropole und sagen am Ende des Tages: „Ist das schön hier“. Ich spreche von Mailand, Italiens wirtschaftlichem Herz, dem Zentrum für Kunst, Mode und Design, einer kosmopolitischen Metropole mit hervorragender Verkehrsinfrastruktur.

Über das Reiseportal meiner Wahl buchte ich eine Unterkunft in der Nähe des Doms, nur 20 Gehminuten entfernt, ein Appartement mit Küche, Bad, geräumigem Doppelzimmer mit Balkon. Für Dörte und mich ist Raum zur freien Entfaltung das A&O. Die Kommunikation mit den Eigentümern des Appartements gestaltete sich schwierig. Den PIN-Code für einen Schlüsselkasten wollte man uns erst mitteilen, nachdem wir einen Beleg für die Entrichtung der City-Tax zugesendet hätten. Nachdem wir über PayPal die Gebühr entrichteten, erhielten wir während der Anreise die Nachricht, dass es den PIN-Code erst nach 15:00 Uhr gäbe. Die versprochenen Informationen zum Parkplatz erhielten wir, nachdem wir unser Auto bereits geparkt hatten – auf einem Privatparkplatz der Polizei, wie uns ein freundlicher Beamter in seinem Fiat 500 schmunzelnd versicherte. Wir fanden die Wohnung und zwei Schlüsselkästen – einen für Raum 1, den anderen für Raum 2. Wir hätten Raum 1 gebucht, schrieb uns der Vermieter. Bad und Küche müssten wir uns mit anderen Gästen teilen. Für junge Leute stellt dies vielleicht kein Problem dar, sofern sie darauf vorbereitet sind, für Ältere, die nachts häufiger spontane Bedürfnisse entwickeln, ist dieser Umstand eher hinderlich. Das versteht man wahrscheinlich auch erst, wenn man 60 und älter ist. Wir sind unter Protest aus- und in ein Hotel eingezogen. Weniger Raum zwar zur Entfaltung, dafür aber eine superfreundliche Begrüßung, ein eigenes Bad, einen Stellplatz in der geräumigen Tiefgarage und alles in einem lebhaften Bezirk. Fortan fühlten wir uns in Mailand willkommen.

Für das Abendessen suchte ich in der Karten.app ein Restaurant, möglichst fünf von fünf Sternen und nicht allzu teuer. Am besten schnitt „Pizza AM“ ab, nur 600 Meter von unserem Hotel entfernt – über 4.000 Bewertungen. Von außen ein völlig unscheinbarer Laden. Erst beim zweiten Hingucken sahen wir Gäste in dem Restaurant. Aber dann beim Eintreten wurden wir so herzlich und fröhlich empfangen, wie ich es zuletzt in Indien oder in völlig ausgeflippten Restaurants in den USA erlebt hatte: das Personal lachte unentwegt, drückte den Gästen beim Betreten gleich zwei Gläser Prosecco in die Hände und servierte einen „kleinen“ Gruß aus der Küche, der den ersten Hunger mehr als nur stillte. Die italienische Speisekarte war auf Brettchen gedruckt, die Schrift verwaschen und teilweise unleserlich.

Sieben Pizzen waren vegetarisch, die achte mit Sardellen. Während wir wenige Minuten auf unsere Bestellung warteten, füllte sich das Restaurant bis auf den letzten Platz, auch die Plätze draußen waren bald besetzt. Links und rechts von uns nahmen Menschen aus allen Regionen der Welt Platz, waren aber nicht annähernd so vergnügt wie die Bedienung und die Jungs am Pizza-Ofen und der Bar. Die hatten auf jeden Fall Spaß, und der Spaß war ansteckend. Die Pizza war lecker, der Nachtisch auch und am liebsten hätten wir noch stundenlang das bunte Treiben beobachtet. Ich wünsche mir mehr ähnlich fröhliche Restaurants wie „Pizza AM“ in Mailand.