Erinnerungen und neue Perspektiven: Ein Abend mit der ZEIT-Redaktion
Wencke Karla Tzanakakis lud im Namen der ZEIT-Redaktion Hamburg Abonnenten am vergangenen Dienstag zu einem Gesprächsabend mit Holger Stark und Giovanni di Lorenzo ein. Holger Stark leitet das Ressort Investigative Recherche und Daten, und Giovanni di Lorenzo bedarf keiner Vorstellung.
Es gäbe viel zu erzählen, besonders über die hervorragende Moderation durch Frau Tzanakakis. Doch ich möchte mich auf den Moment konzentrieren, als Giovanni di Lorenzo über die aktuelle politische Lage in unserem Land, die Ampelkoalition und besonders über Olaf Scholz sprach. Respektvoll und bedacht, aber auch kritisch, fand er klare Worte. Ein Herr aus der ersten Reihe – Dörte und ich saßen gleich dahinter – meldete sich zu Wort, lobte unseren aktuellen Verteidigungsminister Pistorius als idealen Scholz-Ersatz und erinnerte an Helmut Schmidt. Ich musste schmunzeln, als Giovanni di Lorenzo sinngemäß erwiderte: „Helmut Schmidt … den würde heute niemand mehr wählen. Mit ihm konnten sie nicht über Umweltschutz, Menschenrechte und die Gleichberechtigung der Frauen reden.“ Eine Stimme aus dem Hintergrund ergänzte: „Und das trotz Loki.“ Die Vorstellung von Loki und Helmut Schmidt spare ich mir an dieser Stelle.
Über Pistorius sagte di Lorenzo nichts. Er kenne ihn nicht, wisse aber, dass die Kanzlerschaft bestimmte Kompetenzen erfordere, z. B. in wirtschaftlichen Fragen.
An Abenden wie diesen, mit einem Publikum fortgeschrittenen Alters, kommen manchmal die Peinlichkeiten früherer Zeiten wieder hoch. Wir Alten lieben das, unseren Kindern und Enkeln ist vieles nur peinlich. Man erinnerte sich an ausufernde Gelage nach den wöchentlichen großen Redaktionskonferenzen oder daran, wie Holger Stark nach seinem Wechsel zur ZEIT vom ehemaligen Chefredakteur Theo Sommer auf ein „kühles Blondes“ in sein Büro eingeladen wurde. Stark, der gerade erst als Spiegel-USA-Korrespondent zur ZEIT gekommen war, fragte nach, was Sommer damit meinte. Whisky und Soda kamen auf den Tisch – Stark lehnte dankend ab.
Solche Momente machen klar, warum es gut ist, dass wir Älteren den Jüngeren das Feld überlassen sollten. Wir können ihnen mit unseren nicht immer ganz so weisen Erfahrungen zur Seite stehen, aber früher war eben nicht alles besser. Jede Zeit hat ihre eigenen Herausforderungen, ihre eigenen Menschen und Geschichten. Und das ist gut so. Vielleicht wäre vieles auf der Welt einfacher, wenn die Älteren ihre Finger von den Schalthebeln der Macht ließen, besonders von denen, die Zerstörung und Leid über andere Menschen bringen oder die unbändige Gier befriedigen.
Aber inmitten dieser Erinnerungen und Reflexionen sehe ich auch etwas Schönes: Es gibt helle Orte, „Bright Places“, wo Generationen voneinander lernen können. Wo Gespräche, mögen sie auch manchmal schräg erscheinen, neue Perspektiven eröffnen. Es sind diese hellen Momente, die uns daran erinnern, dass die Welt immer wieder Raum für Neues bietet, solange wir bereit sind, zuzuhören und dazuzulernen.
(Das Bild zeigt Wencke Karla Tzanakakis und Giovanni di Lorenzo.)