Heidehonig und Hufgeklapper: Ein Ausflug nach Undeloh

Freitagmorgen. Der Wetterbericht prophezeit ab Montag den Einzug des Herbstes. Heute und vielleicht das Wochenende bieten noch Gelegenheit für Unternehmungen in der Sonne. Die Wahl fällt auf die Lüneburger Heide, genauer gesagt auf Undeloh und eine Wanderung zum Wilseder Berg. Hamburgs Staus und Baustellen bremsen uns aus, während italienische Popmusik aus den Lautsprechern schallt. In Undeloh parken wir am Undeloher Hof, schlendern über den Markt und erstehen ein Glas Honig – ein Muss in der Heide, auch wenn die Preise in die Höhe geschossen sind: 8,90 Euro für 250 Gramm Heidehonig, das Doppelte an Menge für Lindenhonig zum gleichen Preis. 

Die Wanderung beginnt. Die Sonne steht hoch am Himmel, eine leichte Brise weht, die Bedingungen sind ideal. Doch es ist auffällig ruhig. Nur wenige Wanderer sind unterwegs, die meisten Besucher entscheiden sich für eine Kutschenfahrt, das Hufgeklapper ist allgegenwärtig. Nach knapp vier Kilometern erreichen wir Wilsede, ein Dorf, das mit seinen reetgedeckten Katen und dem Heidemuseum „Dat ole Huus“ zu einer Zeitreise einlädt. Mein Blick bleibt, wie immer, an der Göpelmühle hängen: eine kreisförmige Vorrichtung, die von Zugtieren betrieben wurde, um Maschinen in Gang zu setzen. Einst unverzichtbar, erinnern solche Relikte an die Zeit, als die menschliche Nutzung der Natur zwangsläufig nötig war – und doch tun einem die Pferde leid, die endlos im Kreis laufen mussten. 

In der „Milchhalle“ gönnen wir uns eine Pause: Kaffee, Preiselbeer-Schmand-Torte, Pflaumenstreusel. Danach geht es weiter: anderthalb Kilometer hinauf zum Wilseder Berg, mit 169,2 Metern die höchste Erhebung der Lüneburger Heide. Von hier öffnet sich der Blick auf die wellige, weite Heidelandschaft: violette Heideflächen, unterbrochen von Wacholdern, Kiefern und vereinzelt stehenden Birken. Dahinter breiten sich dichte Kiefern- und Fichtenwälder aus, die natürliche Grenze der Heide und Mahnung zugleich, dass diese Landschaft ohne ständige Eingriffe längst wieder Wald wäre. 

Die Wälder am Horizont verdeutlichen den ständigen Kampf gegen die Rückkehr zur Natur. Menschliche Pflege hält die Heide offen: Schafe, Plaggen, kontrollierte Brände – Maßnahmen, die verhindern, dass sich die Natur ihren Raum zurückholt. Der Blick ist weit und reizvoll, aber es bleibt der Beigeschmack einer Kulturlandschaft, die ihrem ursprünglichen Wesen entrissen wurde. Eine Landschaft, die ständig betreut und in ihrem Zustand festgehalten werden muss, um als „Heide“ zu überleben. 

Es ist inzwischen 17 Uhr. Die Sonne steht tief, das Licht warm und golden. Es wird stiller, die meisten Besucher sind längst auf dem Heimweg. Die letzte Etappe: viereinhalb Kilometer zurück zum Undeloher Hof. Gegen 19 Uhr lassen wir uns dort nieder und essen eine Brotzeit. Der Rückweg nach Hamburg ist entspannter, der Verkehr hat sich beruhigt. 

Die Lüneburger Heide, einst dichte Waldlandschaft, ist heute eine der bekanntesten Kulturlandschaften Deutschlands, geformt und geprägt durch Jahrhunderte menschlicher Nutzung. Wälder wurden für Brennholz zur Salzsiedung gerodet, Heidschnucken fraßen die kargen Böden kahl – die Natur wurde bis an ihre Grenzen ausgebeutet. Die Flora und Fauna der Heide haben sich diesem offenen, mageren Lebensraum angepasst – und doch sind sie nur die Folge einer langen Serie von Eingriffen. 

Um diese Landschaft zu bewahren, sind ständige Pflegemaßnahmen nötig: Entkusseln, Beweidung, Plaggen – alles, um die Rückkehr des Waldes zu verhindern. Die Frage bleibt, wie nachhaltig und sinnvoll es ist, eine Landschaft gegen ihren natürlichen Verlauf zu konservieren. Die Heide, so einzigartig und reizvoll sie ist, bleibt ein Stück gezähmte Natur, ein Monument menschlicher Kontrolle über das, was einst wild war.