Nuwakot, Samstag
Der Tag gestern war lang.
Eine dieser Wanderungen, die von außen betrachtet einfach erscheinen: raus aus der Stadt, rein in die Natur, irgendwann zurück. Aber sie steckt voller Kontraste.
Wir starten früh, mit dem Bus, in Swajambunath. Es regnet. Erst leise, dann beständig. Der Bus kämpft sich durch Gassen, über Serpentinen, an Getreidefeldern vorbei. Irgendwann gibt er auf, wir gehen zu Fuß weiter. Reisterrassen, Lehmhütten, der Duft von Zedern, Wasser, das aus den Hängen tritt.
Es ist eine wunderschöne Gegend – und eine durchweichte.
Die Schuhe sind schwer, die Kleidung feucht, aber irgendwann ist das egal. Wir lachen, reden, schweigen. Die Wasserfälle sind mächtig, der Weg dorthin steil. Die Blutegel sind lästig, der Tee danach ist heiß. Es ist alles da, nichts fehlt.
Und doch: Es war nicht der Wasserfall, der mich gestern am meisten beschäftigt hat. Es war eine leise Erkenntnis, die sich auf dem Rückweg bemerkbar machte – zwischen Gesprächen, Blicken ins Tal, dem Geruch nasser Erde.

Ich habe in den letzten Tagen über meinen eigenen Antrieb nachgedacht. Über dieses ständige Suchen nach Bedeutung. Dieses Hinterfragen, Analysieren, Sortieren. Ich merke, wie sehr ich meine Dopamin-Kicks nicht aus Likes oder Reizen ziehe – sondern aus dem Versuch, allem einen Sinn zu geben. Das lässt mich nicht zur Ruhe kommen. Und manchmal verunsichert es die Menschen um mich herum.
Aber draußen, in der Natur, ändert sich etwas.
Ich muss nicht verstehen, warum das Wasser genau hier aus dem Felsen tritt.
Ich muss nicht hinterfragen, warum dieser Strauch gelbe Beeren trägt und jener andere nicht.
Ich sehe es – und das genügt.
Die Natur verlangt keine Interpretation. Sie ist.
Sie vergleicht nicht, bewertet nicht, erklärt sich nicht.
Sie entfaltet sich. Und in dieser Selbstverständlichkeit liegt eine große Freiheit.

Ich glaube, ich finde genau deshalb draußen manchmal das, was ich drinnen suche:
Nicht Sinn – sondern Hingabe.
Nicht Bedeutung – sondern Akzeptanz.
Nicht Kontrolle – sondern Vertrauen.
Vielleicht geht es gar nicht darum, die Dinge immer gleich in Worte zu fassen.
Manchmal genügt es, den Blick schweifen zu lassen und sich daran zu erinnern:
Alles Leben hat seinen Platz.
Nicht, weil es etwas beweisen muss, sondern weil es da ist.

Sonntag treffe ich die jungen Poeten wieder. Sie wählen Worte, suchen Ausdruck, fragen – wie ich. Aber heute war ein Tag ohne Fragezeichen. Und das war gut so.
Nuwakot, Saturday
Yesterday was a long day.
One of those hikes that seem easy from the outside: out of the city, into nature, back at some point. But it is full of contrasts.
We start early, by bus, in Swajambunath. It is raining. Softly at first, then steadily. The bus struggles through alleyways, along winding roads, past fields of grain. At some point it gives up and we continue on foot. Rice terraces, mud huts, the scent of cedars, water flowing from the slopes.
It is a beautiful area – and a soggy one.
Our shoes are heavy, our clothes damp, but at some point it doesn’t matter. We laugh, talk, keep quiet. The waterfalls are mighty, the path to them steep. The leeches are annoying, the tea afterwards is hot. Everything is there, nothing is missing.
And yet: it wasn’t the waterfall that preoccupied me the most yesterday. It was a quiet realisation that made itself felt on the way back – between conversations, glances into the valley, the smell of wet earth.
I’ve been thinking about my own drive over the last few days. About this constant search for meaning. This questioning, analysing, sorting. I realise how much I don’t get my dopamine kicks from likes or stimuli – but from trying to make sense of everything. It doesn’t allow me to calm down. And sometimes it unsettles the people around me.
But outside, in nature, something changes.
I don’t have to understand why the water is coming out of the rock right here.
I don’t have to question why this bush has yellow berries and that one doesn’t. I see it – and that’s enough.
I see it – and that is enough.
Nature requires no interpretation. It is.
It does not compare, does not judge, does not explain itself.
It unfolds itself. And in this naturalness lies a great freedom.
I think that’s why I sometimes find outside what I’m looking for inside:
Not meaning – but devotion.
Not meaning – but acceptance.
Not control – but trust.
Perhaps it’s not always about putting things into words straight away.
Sometimes it is enough to let your gaze wander and remember:
All life has its place.
Not because it has to prove something, but because it is there.
On Sunday, I meet the young poets again. They choose words, seek expression, ask questions – like me. But today was a day without question marks. And that was a good thing.