Sparsamkeit in Nepal – Eine Lektion im Umgang mit Geld

→ Jump to English version

Gestern Abend füllte ich den Kühlschrank meines Ferienhauses. Auf dem Rückweg vom Vishnu-Tempel gingen Yeshi und ich in den Big Mart, eine bekannte Supermarktkette in Nepal. Wir kauften 27 Artikel des täglichen Bedarfs: Möhren, Birnen, Orangen, Eier, Olivenöl, Brot, Nudeln, Cracker, Tomaten, Paprika, Knoblauch, Instantkaffee, Waschpulver. Die Rechnung: 4894 Nepalesische Rupien (NPR) – umgerechnet etwa 33 Euro.

Yeshi blieb auf dem Heimweg nachdenklich. Sie erzählte, dass ihre Familie früher mit nur 20.000 NPR einen gesamten Monat bestreiten musste. „Wie konnte meine Mutter das nur schaffen?“, fragte sie. 5000 NPR für ein paar Einkäufe – das entspräche einem Viertel ihres damaligen Monatsbudgets. Dabei hatten wir noch nichts für Mittag- oder Abendessen gekauft.

Auch die Kosten für mein Ferienhaus treiben sie um. „Warum zahlst du so viel?“, fragt sie immer wieder und drängt mich, eine Wohnung zu suchen, die nur 100 Euro im Monat kostet – ein Sechstel meiner jetzigen Miete.

Diese Beobachtungen bringen mich zum Nachdenken über die enorme Sparsamkeit der Nepali und deren Ursachen.

Kulinarische und kulturelle Beispiele

Sparsamkeit zeigt sich hier nicht nur im Umgang mit Geld, sondern auch in der Art, wie Ressourcen genutzt werden. Ein Beispiel dafür ist die traditionelle nepalesische Küche. Dal Bhat – Reis mit Linsensuppe – ist das Grundnahrungsmittel für die meisten Nepali. Dieses Gericht ist nicht nur nahrhaft, sondern auch äußerst kostengünstig. Die Zutaten stammen oft aus eigenem Anbau, und Reste werden kreativ wiederverwertet.

Auch auf Märkten wird mit viel Bedacht eingekauft. Viele Nepali bevorzugen es, frisches Gemüse und Obst in kleinen Mengen zu kaufen, da größere Einkäufe nicht nur das Budget, sondern auch die begrenzten Lagerkapazitäten überfordern könnten. Gleichzeitig hat diese Lebensweise einen nachhaltigen Nebeneffekt: Es wird kaum etwas verschwendet.

Sozioökonomische Hintergründe

Die ausgeprägte Sparsamkeit der Nepali hat tiefe Wurzeln in der Geschichte und den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Landes. Nepal gehört zu den ärmsten Ländern Asiens, mit einem Pro-Kopf-BIP von etwa 1500 US-Dollar (Stand 2023). In vielen Familien reicht das Einkommen gerade für das Nötigste.

Hinzu kommt die geographische Abgeschiedenheit vieler ländlicher Regionen. Dort ist der Zugang zu Waren und Dienstleistungen oft schwierig, was eine Selbstversorgung durch Landwirtschaft erforderlich macht. Diese Umstände haben über Generationen hinweg eine Kultur der Genügsamkeit und des bewussten Umgangs mit Ressourcen geformt.

Vergleich mit westlichen Lebenshaltungskosten

Zum Vergleich: In Deutschland kosten 27 Artikel des täglichen Bedarfs leicht das Doppelte oder Dreifache dessen, was ich in Nepal bezahlt habe. Doch während mein Mobilfunkvertrag hier 1000 NPR (7 Euro) für unbegrenztes Internet und Anrufe kostet, geben wir in Deutschland für ähnliche Leistungen oft über 50 Euro aus. Der Unterschied liegt jedoch nicht nur in den Preisen, sondern auch in der Bedeutung des Geldes: Während viele von uns in Deutschland größere Ausgaben kaum hinterfragen, müssen Nepali jeden Kauf genau abwägen.

Auswirkungen auf den Alltag

Diese Sparsamkeit prägt den Alltag und die Gesellschaft auf vielfältige Weise. Gemeinschaftliches Teilen und gegenseitige Unterstützung sind hier keine Ausnahme, sondern Notwendigkeit. Familienmitglieder helfen einander finanziell aus, und Nachbarn teilen, was sie haben – sei es Essen, Werkzeug oder Zeit.

Gleichzeitig führt die Sparsamkeit zu einer bemerkenswerten Kreativität. Dinge werden so lange wie möglich repariert, wiederverwendet oder umfunktioniert. Eine alte Plastikflasche wird zur Gießkanne, ein Stück Stoff zum Taschentuch.

Eine neue Perspektive

Die Sparsamkeit, die ich hier erlebe, erinnert mich an Geschichten aus der Kindheit meiner Mutter, als in Deutschland noch viel weniger Überfluss herrschte. Doch Nepal führt mir vor Augen, dass ein bewusster Umgang mit Geld und Ressourcen nicht nur aus Notwendigkeit entstehen kann, sondern auch eine andere Lebensqualität ermöglicht.

Ich frage mich, ob wir im Westen von dieser Haltung etwas lernen könnten. Vielleicht geht es nicht darum, immer mehr zu haben, sondern das Beste aus dem zu machen, was wir haben. Nepal lehrt mich Demut – und die Kunst, mit weniger zufrieden zu sein.


English version below


Frugality in Nepal – A Lesson in Handling Money

Last night I stocked the fridge in my holiday house. On our way back from the Vishnu temple, Yeshi and I stopped at Big Mart, a well-known supermarket chain in Nepal. We bought 27 everyday items: carrots, pears, oranges, eggs, olive oil, bread, pasta, crackers, tomatoes, bell peppers, garlic, instant coffee, detergent. The bill came to 4894 Nepalese rupees – about 33 euros.

Yeshi was thoughtful on the way home. She told me that her family used to live on just 20,000 NPR for an entire month. “How did my mother manage that?” she asked. 5000 NPR for a few groceries would have been a quarter of their monthly budget at the time. And we hadn’t even bought lunch or dinner ingredients yet.

The cost of my holiday house also worries her. “Why are you paying so much?” she keeps asking, urging me to look for a place that costs just 100 euros a month – one sixth of what I currently pay.

These observations make me reflect on the remarkable frugality of the Nepali people and the reasons behind it.

Culinary and Cultural Examples

Frugality here is evident not just in financial matters, but also in how resources are used. A good example is traditional Nepali cuisine. Dal Bhat – rice with lentil soup – is the staple dish for most Nepalis. It is not only nutritious but extremely affordable. Ingredients often come from home gardens, and leftovers are reused creatively.

On local markets, purchases are made with care. Many Nepalis prefer to buy small quantities of fresh produce, as bulk buying can strain both budgets and limited storage space. This lifestyle has an environmentally friendly side effect: very little is wasted.

Socioeconomic Background

Nepal’s deep-rooted culture of frugality is tied to its history and economic circumstances. It remains one of the poorest countries in Asia, with a per capita GDP of about 1500 USD (as of 2023). In many families, income barely covers basic needs.

Rural regions often face limited access to goods and services due to their remoteness. This has made self-sufficiency through agriculture a necessity. Over generations, this has cultivated a culture of resourcefulness and careful use of what is available.

Comparing Western Living Costs

For comparison: In Germany, 27 everyday items would easily cost two or three times what I paid in Nepal. My mobile phone plan here costs 1000 NPR (7 euros) for unlimited data and calls, whereas in Germany, we often pay over 50 euros for similar services. The difference lies not only in the prices, but also in the value of money: While many in Germany don’t think twice about large expenses, Nepalis must weigh each purchase carefully.

Impact on Everyday Life

This culture of frugality shapes daily life and society in many ways. Sharing and mutual support aren’t exceptions but necessities. Family members help each other financially, and neighbors share what they have – be it food, tools, or time.

Frugality also fosters impressive creativity. Items are repaired, reused, or repurposed for as long as possible. An old plastic bottle becomes a watering can, a scrap of fabric a handkerchief.

A New Perspective

The frugality I witness here reminds me of stories from my mother’s childhood in postwar Germany, when there was far less abundance. But Nepal shows me that mindful spending and resource use can emerge not only from necessity but also from a different sense of quality of life.

I wonder if we in the West could learn from this mindset. Maybe it’s not about having more, but about making the most of what we have. Nepal teaches me humility – and the art of being content with less.