Zwischen Tierpark und Wahlurne: Wie Angst und Unmündigkeit unser Handeln bestimmen

Gestern besuchte ich einen Tierpark und kam den Tieren so nah wie selten zuvor. Es war bemerkenswert, wie unnatürlich sich die Tiere verhielten: Sie flohen nicht vor mir, sondern bettelten mich an und kamen auf wenige Zentimeter heran. Diese Nähe, die gegen ihre natürliche Scheu und ihr instinktives Fluchtverhalten spricht, erinnerte mich heute Morgen an das menschliche Verhalten, besonders bei der Wahl autoritärer Führer und Parteien – wie zuletzt in Thüringen und Sachsen. Diese Erlebnisse ließen mich über Immanuel Kants Gedanken zur Unmündigkeit nachdenken.

Ein völlig entspannter Kiebitz nur wenige Zentimeter vor mir

Kant prägte die Idee, dass Menschen oft in selbstverschuldeter Unmündigkeit verharren, weil sie ihren Verstand nicht nutzen. Sie handeln wie die Tiere im Tierpark, die ihre Freiheit gegen vermeintliche Sicherheit eintauschen. Ähnlich verhalten sich Menschen in unsicheren Zeiten: Sie klammern sich an einfache, oft autoritäre Lösungen und geben ihre Eigenverantwortung auf.

Viele Menschen sind nicht von Natur aus rassistisch oder antisemitisch. Diese Verhaltensweisen sind Ausdruck tiefer Angst, die populistische Kräfte geschickt ausnutzen. Angst wird in sozialen Medien und durch polarisierende Nachrichten bewusst geschürt, wodurch Menschen Ohnmacht und Unsicherheit empfinden. Diese Ohnmacht kann leicht in Aggression umschlagen, die sich gegen Fremde richtet oder in der Wahl radikaler Parteien mündet.

Strandläufer

Ein aktuelles Beispiel ist die Debatte um Heizungen in Deutschland: Viele Menschen haben Angst, bald nicht mehr heizen zu können, weil sie sich keine moderne Wärmepumpe leisten können. Sie fühlen sich alleingelassen mit der Flut an Informationen und den bürokratischen Hürden, die ihnen der Weg zu staatlicher Unterstützung auferlegt. Häufig wissen sie nicht einmal, welche Förderungen existieren, oder sie sind überfordert damit, die notwendigen Anträge zu stellen.

Konstruktiver Journalismus als Wegweiser aus der Unmündigkeit

Hier können Medien einen wichtigen Beitrag leisten, um die Menschen aus dieser Unmündigkeit zu befreien. Anstatt nur Ängste zu verstärken, sollten Journalisten aufklären, konkrete Lösungswege aufzeigen und den Menschen Mut machen. Konstruktiver Journalismus bedeutet, nicht nur über Probleme zu berichten, sondern auch über die Schritte, die zur Lösung führen.

Rotschenkel und Säbelschnäbler

Statt die Bevölkerung mit Schlagzeilen zu verunsichern, die nur die Dramatik der Situation betonen, könnten Medien erklären, wie man die Förderungen für neue Heizsysteme in Anspruch nimmt. Sie könnten verständliche Anleitungen geben, die den Menschen helfen, sich im Bürokratie-Dschungel zurechtzufinden, und zeigen, dass es oft einfacher ist, als es zunächst scheint. Sie könnten über Erfolgsgeschichten berichten, in denen Menschen trotz anfänglicher Unsicherheit den Schritt gewagt haben und dafür belohnt wurden.

Dies ist der Schlüssel: Aufklärung, die über die bloße Vermittlung von Informationen hinausgeht, und Journalismus, der Menschen ermutigt, selbst aktiv zu werden. Wir brauchen Medien, die nicht nur Probleme beleuchten, sondern auch Möglichkeiten aufzeigen – Medien, die Angst durch Wissen ersetzen und den Bürgern das Werkzeug in die Hand geben, ihre Ängste zu überwinden.

Im Sinne Kants bedeutet dies, den Menschen den Mut zu geben, ihren Verstand zu nutzen. Denn nur wer versteht, kann sich emanzipieren – und das gilt für die Tiere im Tierpark ebenso wie für uns Menschen in unserer Gesellschaft.

Fazit: Gemeinsam gegen Angst und Unmündigkeit

Es liegt an uns allen, den Kreislauf aus Angst, Unmündigkeit und aggressivem Verhalten zu durchbrechen. Medien spielen dabei eine entscheidende Rolle, indem sie nicht nur informieren, sondern Orientierung bieten. Ein konstruktiver Journalismus, der Wege aus der Ohnmacht aufzeigt, kann Menschen befähigen, eigenverantwortlich zu handeln, statt in einer passiven, ängstlichen Haltung zu verharren. Lasst uns diesen Mut aufbringen – für eine Gesellschaft, die nicht in den Rollstall zurückkehrt, sondern die Freiheit der eigenen Gedanken und Handlungen wiederentdeckt.