Zwischen Welten: Ein Porträt des Schriftstellers Arun Sharma
Von einem Café in Budhanilkantha bis zur Weite des amerikanischen Südwestens spannt sich der Lebensbogen von Arun Sharma – Ingenieur, Autor, Weltbürger und Wanderer zwischen Kulturen.
An einem klaren Frühlingsvormittag in Kathmandu treffe ich Arun Sharma im Café Mokka in Budhanilkantha. Es ist ein stiller Ort, leicht abseits vom geschäftigen Zentrum, mit Blick auf die Hänge des Shivapuri. Sharma kommt pünktlich, höflich, wach. Was folgt, ist ein Gespräch, das ebenso mäandernd wie tiefgründig ist – und das Bild eines Mannes zeichnet, der sich selbst wie auch die Welt unablässig zu befragen scheint.
Arun Sharma wurde 1949 geboren, in eine privilegierte Familie mit Verbindungen zur einflussreichen Rana-Dynastie. Sein Vater arbeitete im Verwaltungsdienst – eine Position, die dem jungen Sharma schon früh den Zugang zu Bildung ermöglichte. Er besucht eine Schule in Indien, ein entscheidender Schritt, den er selbst rückblickend als „klaren Ausdruck von Privileg“ bezeichnet. Später zieht es ihn in die Vereinigten Staaten, wo er als Ingenieur bei Texas Instruments arbeitet – unter anderem unter der Leitung des deutschen Managers Klaus Wiemer. Doch der Ingenieur ist immer auch ein Suchender geblieben.
Das Schreiben beginnt für Sharma nach seiner Rückkehr aus Indien, etwa im Alter von 23 Jahren. Es ist für ihn mehr als Beruf oder Berufung – es ist, wie er sagt, eine „Unterhaltung mit der eigenen Seele“. Diese Haltung prägt auch seine Texte: keine didaktischen Lektionen, sondern tastende, offene Erkundungen. Warum schreibt man überhaupt? Um zu verstehen. Um Schmerz zu verarbeiten. Um der Welt einen Sinn abzutrotzen, der sich im Alltag oft entzieht. Er schreibt nicht nur über das Leben – er schreibt aus dem Leben heraus.
Drei Notizbücher trägt er stets mit sich: eines für flüchtige Gedanken, eines für Ideenentwicklung, eines für ausgearbeitete Texte. Er braucht diese Struktur, um sich frei zu fühlen – denn im Schreiben ist er, wie er sagt, ganz bei sich. „Niemand schaut mir über die Schulter.“ Erst später kommt die Öffentlichkeit hinzu. Sharma braucht Resonanz, nicht als Eitelkeit, sondern als Spiegel – ein Echo der eigenen Existenz im Anderen.
Überraschend offen spricht er über Beziehungen, Liebe und die Rolle der Frau. Manchmal entgleiten ihm dabei Bemerkungen, die irritieren – etwa, wenn er scheinbar beiläufig jemanden als „nicht attraktiv“ bezeichnet. Es ist eine Mischung aus unbedachter Direktheit und alter Welt – ein Moment, der zugleich Nähe wie Distanz schafft.
Sein Leben in den USA – wo auch seine nepalesische Frau und seine inzwischen erwachsene Tochter leben – verläuft zwischen Anpassung und Fremdheit. Besonders eindrücklich schildert er die Reaktion seiner Tochter auf einen dreijährigen Aufenthalt in Bangkok. Sie wollte nicht in Asien zur Schule gehen. Erst der Besuch einer internationalen Schule öffnete ihr den Blick: Auch hier gab es Kinder aus vermögenden Familien, auch hier konnte Bildung Heimat sein. Sie blieb – und machte dort ihr Abitur.
Sharma selbst fühlt sich in Nepal mittlerweile wohler als in den USA. „Ich werde hier besser behandelt“, sagt er. Vielleicht ist es die Sprache. Vielleicht die Nähe zur Spiritualität. In einem seiner Essays schreibt er: „Spiritualität ist das Feuer, das innen brennt.“ Für ihn bedeutet sie, in Verbindung zu treten – mit sich selbst, mit der Natur, mit dem Augenblick. Ein Aufenthalt in Lhasa, Tibet, hat ihn zuletzt stark bewegt. Der Blick auf schneebedeckte Gipfel, das Rauschen des Windes in der Stille, das Gefühl, Teil von etwas Größerem zu sein.
Und so sitzt er nun hier, zwischen Kaffeehaus und Kosmos, ein Mann mit Geschichten, mit Welt und Widerspruch. Arun Sharma ist ein stiller Beobachter und zugleich ein radikal subjektiver Erzähler. Er lebt zwischen Kulturen, aber auch zwischen Denkweisen: rational und mystisch, analytisch und poetisch, manchmal verstörend direkt, dann wieder zart und tastend.
Er bewundert deutsche Autoren wie Bertolt Brecht und Hermann Hesse – kein Zufall, denke ich. Auch sie waren Suchende, Grenzgänger. Wie Sharma. Ein Mann, der nie ganz angekommen ist und darin vielleicht genau das gefunden hat, was andere zeitlebens suchen: eine offene Haltung gegenüber der Welt. Und das Schreiben – als Form der Existenz.
Arun Sharma hat bislang vier Bücher veröffentlicht, alle auf Nepalesisch. Seine Texte bewegen sich zwischen persönlicher Erinnerung, gesellschaftlicher Beobachtung und spiritueller Suche. Ich war ihm bereits vor zwei, drei Wochen zufällig bei einem Poetry Slam in Kathmandu begegnet – nun ergab sich, fast beiläufig, ein tieferer Einblick in das Leben eines Mannes, der die Grenzen zwischen den Welten nicht nur überschreitet, sondern mit Bedacht bewohnt.
Between Worlds: A portrait of the writer Arun Sharma
Arun Sharma’s life spans from a café in Budhanilkantha to the vastness of the American Southwest – engineer, author, global citizen and traveller between cultures.
On a clear spring morning in Kathmandu, I meet Arun Sharma at Café Mokka in Budhanilkantha. It’s a quiet place, slightly away from the busy centre, with a view of the slopes of Shivapuri. Sharma arrives on time, polite and alert. What follows is a conversation that is as meandering as it is profound – and paints a picture of a man who seems to be constantly questioning himself and the world.
Arun Sharma was born in 1949 into a privileged family with connections to the influential Rana dynasty. His father worked in the civil service – a position that gave the young Sharma access to education at an early age. He attended school in India, a decisive step that he himself describes in retrospect as a „clear expression of privilege“. He later moved to the United States, where he worked as an engineer at Texas Instruments – under the supervision of German manager Klaus Wiemer, among others. But the engineer has always remained a seeker.
Sharma began writing after his return from India, around the age of 23. For him, it is more than a profession or a vocation – it is, as he says, a „conversation with his own soul“. This attitude also characterises his texts: no didactic lessons, but rather tentative, open explorations. Why do you write at all? To understand. To process pain. To wrest a meaning from the world that often eludes us in everyday life. He doesn’t just write about life – he writes out of life.
He always carries three notebooks with him: one for fleeting thoughts, one for developing ideas, one for elaborated texts. He needs this structure to feel free – because when he writes, he is, as he says, completely with himself. „Nobody is looking over my shoulder.“ Only later does the public come along. Sharma needs resonance, not as vanity, but as a mirror – an echo of his own existence in others.
He speaks surprisingly openly about relationships, love and the role of women. Sometimes he slips in remarks that irritate – for example, when he seems to casually describe someone as „not attractive“. It is a mixture of thoughtless directness and the old world – a moment that creates both closeness and distance.
His life in the USA – where his Nepalese wife and his now grown-up daughter also live – runs the gamut between adaptation and alienation. He describes his daughter’s reaction to a three-year stay in Bangkok in a particularly impressive way. She did not want to go to school in Asia. It was only when she went to an international school that she opened her eyes: Here, too, there were children from wealthy families; here, too, education could be home. She stayed – and completed her A-levels there.
Sharma herself now feels more comfortable in Nepal than in the USA. „I’m treated better here,“ he says. Maybe it’s the language. Maybe it’s the closeness to spirituality. In one of his essays, he writes: „Spirituality is the fire that burns within.“ For him, it means getting in touch – with yourself, with nature, with the moment. A recent stay in Lhasa, Tibet, moved him deeply. The view of snow-covered peaks, the sound of the wind in the silence, the feeling of being part of something bigger.
And so he now sits here, between coffee house and cosmos, a man with stories, with the world and contradiction. Arun Sharma is a silent observer and a radically subjective narrator at the same time. He lives between cultures, but also between ways of thinking: rational and mystical, analytical and poetic, sometimes disturbingly direct, then again tender and tentative.
He admires German authors such as Bertolt Brecht and Hermann Hesse – no coincidence, I think. They too were seekers, border crossers. Like Sharma. A man who never quite arrived and perhaps found exactly what others were looking for throughout their lives: an open attitude towards the world. And writing – as a form of existence.
Arun Sharma has published four books to date, all in Nepalese. His texts move between personal memory, social observation and spiritual search. I had already met him by chance two or three weeks ago at a poetry slam in Kathmandu – now, almost incidentally, I gained a deeper insight into the life of a man who not only crosses the boundaries between worlds, but also inhabits them with care.