Warum ich lieber in Schwarz-Weiß fotografiere

Wir leben in einer Zeit, die das Objektive verehrt. Was messbar ist, gilt als echt. Was sich nicht belegen lässt, fällt raus. Gefühle, Erfahrungen, persönliche Wahrheiten – alles zu subjektiv, zu weich, zu unzuverlässig.

Dabei entsteht Bedeutung nicht im Ding, sondern im Kopf des Betrachters.

Ich fotografiere oft in Schwarz-Weiß. Nicht, weil ich nostalgisch bin. Sondern weil ich Farbe für eine höchst persönliche Angelegenheit halte. Licht lässt sich messen. Farbe nicht. Farbe entsteht im Auge – und mehr noch: in der Erinnerung, in der Stimmung, im Moment.

Ein schwarz-weißes Bild verlangt Beteiligung. Es zwingt den Betrachter, eigene Farben mitzubringen. Und das gefällt mir.

Was ich nicht verstehe: Warum wir glauben, dass gerade durch Trennung Erkenntnis entsteht. Philosophie hier, Wissenschaft da. Dinge dort, Erleben woanders. Ein Stuhl ist ein Stuhl. Und erst, wenn jemand drauf sitzt, wird er Geschichte. Das müsste doch selbst dem nüchternsten Materialisten einleuchten.

Ich war einmal fest überzeugt, dass Naturwissenschaften mein Zugang zur Welt sind. Sie bieten Ordnung, Logik, Struktur. Aber sie erklären nicht, warum mich der Blick eines Menschen erschüttert oder warum ich Tränen in den Augen habe, wenn ein Kind lacht.

Erklären können sie nur das Erklärbare. Das Wunder bleibt außen vor.

Wir geben uns große Mühe, das Leben in Kategorien zu pressen. Was wir dabei verlieren, ist das Staunen. Und vielleicht auch ein bisschen Sinn.

Ich plädiere für mehr Grau. Für Räume zwischen den Kategorien. Für Zwischenräume zwischen Denken und Fühlen, zwischen Licht und Schatten, zwischen Erklärung und Ahnung.

Nicht alles, was nicht messbar ist, ist gleich esoterischer Nebel. Vielleicht ist es einfach: lebendig.

Das Leben ist, bei Lichte betrachtet, ein Schwarz-Weiß-Foto. Und wir sind es, die ihm Farbe geben.


Why I prefer to shoot in black and white

We live in an age that worships the objective. What is measurable is considered real. What can’t be proven is discarded. Feelings, experiences, personal truths – everything is too subjective, too soft, too unreliable.

Meaning is not created in the object, but in the mind of the observer.

I often photograph in black and white. Not because I’m nostalgic. But because I consider colour to be a highly personal matter. Light can be measured. Colour cannot. Colour is created in the eye – and even more: in the memory, in the mood, in the moment.

A black and white picture demands participation. It forces the viewer to bring their own colours. And I like that.

What I don’t understand is why we believe that knowledge is created through separation. Philosophy here, science there. Things there, experience somewhere else. A chair is a chair. And only when someone sits on it does it become history. Even the most sober materialist should realise that.

I was once firmly convinced that science was my access to the world. They offer order, logic and structure. But they don’t explain why a person’s gaze shakes me or why I have tears in my eyes when a child laughs.

They can only explain the explainable. The miracle is left out.

We go to great lengths to categorise life. What we lose in the process is wonder. And perhaps also a little bit of meaning.

I plead for more grey. For spaces between the categories. For spaces between thinking and feeling, between light and shadow, between explanation and hunch.

Not everything that cannot be measured is esoteric fog. Perhaps it is simply: alive.

Seen in the light of day, life is a black and white photograph. And we are the ones who give it colour.