Jaipur – das Observatorium

„Jantar Mantar“ übersetzt man mit „kalkulierendem Gerät“ oder „denkendem Gerät“. Es bezeichnet ein Ensemble aus 14 Bauwerken, die einzig astronomischen Messungen dienen. Gebaut wurden sie zwischen 1727 und 1733. Sie dienen der Zeitmessung, bis auf 2 Sekunden genau, der Bestimmung der Sternbilder, vor denen die Sonne steht und der genauen Verortung der Erde im Verhältnis zur Sonne. Die Geräte bringen die Sterne auf die Erde und machen Astronomie im wahrsten Sinne des Wortes begreifbar und begehbar.

Mich beeindruckt die Präzision, mit der diese Geräte vor 300 Jahren konzipiert und gebaut wurden und mit der sie heute noch funktionieren. Die größere Sonnenuhr misst eine Höhe von 27,5 Metern und am Boden eine Länge von 44,8 Metern.

Ein anderes Gerät zeigt mit zwei in den Boden eingelassenen Halbkugeln den Jahreslauf der Sonne im Verhältnis zu allen Sternbildern. Man kann in oder neben den Geräten stehenbleiben und den Lauf der Sonne präzise verfolgen, ohne in die Sonne blicken zu müssen.

Gestern war der 23. November. Die Sonne stand im Mittelpunkt des Sternbildes Skorpion. Für dieses Sternbild existiert eine eigene Skala im Format einer Sonnenuhr. Der Schatten des Gerätes zeigt den Sonnenstand im Verhältnis zu diesem Sternbild an.

Jantar Mantar ist nicht nur ein Unesco-Weltkulturerbe, sondern auch ein Muss für jeden an Astronomie halbwegs Interessierten.

Nun mag der aufgeklärte Europäer denken, dass sich Naturwissenschaft und Spiritualität nicht vertragen. Ganz anders im Jantar Mantar, wo ich mindestens zwei Hindu-Tempel finde.

Was der Mensch mit seinem Verstand naturwissenschaftlich erklären kann, erklärt er naturwissenschaftlich. Alles andere ist Glaube und dient einzig der Bildung und Wahrung gemeinsamer Werte einer Gesellschaft, erklärt aber nicht die Welt.