Cake Mixing Ceremony

Es sind 33°C im Schatten. Wieder ein langer Spaziergang am Strand. Danach schwimmen und ausruhen am Pool. Vom Liegestuhl aus beobachte ich, wie Angestellte fünf Palmen mit roten und weißen Bändern schmücken. Sie bereiten die heutige Cake Mixing Ceremony vor, erklärt man mir. Das Hotel läutet damit um 16:00 Uhr die Weihnachtszeit ein.

Eine bereits auf das 17. Jahrhundert zurückgehende Tradition christlicher Familien ist inzwischen über sämtliche religiösen Schranken hinweg im ganzen Land verbreitet. Allerdings laden heutzutage eher Hotels zu dieser Zeremonie ein.

Die Teilnehmer setzen den Teig des saftigen und gehaltvollen Christmas Cakes an. Dazu mischen sie Mandeln, Cashewnüsse, Rosinen, Datteln, Feigen, getrocknete Kirschen, Pistazien, Zimt, Nelken, Muskatnuss, getrockneten Ingwer, kandierte Früchte, Pflaumen, Walnüsse, Zucker, Eier und Mehl und tränken alles mit Rum, Brandy, Wein oder einer Kombination aus Fruchtsäften und Alkohol. Die Mischung wird in luftdichten Behältern mindestens eine Woche aufbewahrt. Der Alkohol dient angeblich nur der Konservierung und gestattet die Aufbewahrung des Teigs bis zu einem Jahr, was Glück und Harmonie verheißen soll.

Um kurz vor vier sind die meisten Zutaten bereits in der Wanne säuberlich von einander getrennt. Das Mischen beginnt um vier. Hotelmitarbeiter teilen Kochmützen, Schürzen und Einmalhandschuhe an die Gäste aus. Aus den Lautsprechern dröhnen „White Christmas“ und „Little Drummerboy“ und alles, was uns Briten und Amerikaner als Weihnachtslieder geschenkt haben. Am Himmel brennt die Sonne. Es ist immer noch warm. Ich amüsiere mich.

Zunächst werden die Haufen zu Herzen, Kreisen, Buchstaben und Ziffern geformt. Bis hierhin wirkten allein die Hotelmitarbeiter mit. Die Flaschen mit Whiskey, Brandy und Rum finden bei den Gästen reißenden Absatz und das Geschick im Entkorken offenbart jahrelange Erfahrung. Soweit ich es überblicken kann, schütten alle Gäste den gesamten Flascheninhalt in die Wanne. Zufriedenheit legt sich auf ihre Gesichter. Zuerst mischen viele, dann nur noch die Köche die Früchte und Nüsse mit Alkohol und Säften und achten darauf, dass möglichst viel Flüssigkeit aufgenommen wird. Man lässt sich Zeit mit dieser Tätigkeit und füllt schließlich alles in einen großen, grünen Behälter. Nebenbei lädt ein Hotelbediensteter zum Snack ein. Tee, Kaffee, Kuchen, Kekse, Sandwiches und einige indische Leckereien stehen am Nebentisch bereit.

Während des Cake Mixings lässt sich eine Dame im beigen Sari mit rotem T-Shirt gerne von mir fotografieren. Dabei hatte ich doch den Küchenchef mit seinem markanten Oberlippenbart im Fokus.

Ich frage sie, ob es OK war, dass sie auf einem Foto ist. Sie fragt nach meiner Zimmernummer. Ich bin perplex. „Warum wollen Sie das wissen?“ „Ich leite das Housekeeping.“ OK, ich entspanne mich und lobe ihre Mitarbeiterinnen kräftig.

Ich bin kaum zurück im Zimmer, als es klopft. Zuerst denke ich an den IT-Mitarbeiter von gestern, der mir zwischenzeitlich seinen Lebenslauf zusandte. Aber mit ihm hatte ich gerade gechattet. Ich öffne und vor mir steht der Vater von Ninad.

Ninads Vater
Ninads Vater

Ninad kenne ich, seit ich mit EasternEnterprise in Pune an Projekten für russische und amerikanische Kunden arbeitete. Er ist quasi die rechte Hand von Shweta. Ein absolut liebenswerter Mensch. Außerdem ist er der Ehemann von Swaroop, die meine Reise durch Kerala, Rajasthan bis nach Agra und Delhi organisiert hat. Ninads Eltern kenne ich seit 2014. Die Mutter war Schulleiterin, der Vater „Troubleshooter“ bei Tata Motors. Er hatte Probleme in den Produktionsanlagen der Automobilherstellung zu beseitigen. Was mich aber viel mehr beeindruckte, war seine Kunst des Tabla-Spielens. Als Kind erlernte er das Instrument von einem Guru. Er machte sich schnell einen Namen in Indien und unterrichtete einmal sogar einen Königssohn aus Nepal. Auf jeden Fall wohnen Ninads Eltern Tür an Tür mit mir. Heute Abend werden wir gemeinsam essen, zuvor noch ein Bier trinken, und morgen wollen sie mich in das Heimatdorf des Vaters mitnehmen. Es sei nicht all zu weit entfernt vom Hotel. Es ginge ein wenig die Berge hinauf. Aber dort oben stehe ein Tempel, den der Vater gerne besuchen möchte. Was für eine Ehre.