Jodhpur

Das Pal Garh Hotel steht in Pal, einem Vorort von Jodhpur. Am Abend lädt mich Hemraj noch auf ein Bier ein. Danach verabschieden wir uns wieder für die Nacht. Am nächsten Morgen möchte er möglichst früh aufbrechen.

Böden und Wände meines Zimmers sind aus Marmor aus Jodhpur. Bad, Umkleideraum, Wohn- und Schlafraum. Couch. Schreibtisch und ein gemütliches Bett. Es fehlt an nichts.

Ich schreibe über die Fahrt von Udaipur nach Jodhpur, lege mich aufs Bett und schlafe sofort ein. Um 22:00 Uhr erinnert mich das Restaurant, dass es bald schließt. Ich solle meine Bestellung aufgeben. Nein. Ich schlafe weiter.

Teilansicht des Gartens des Pal Garh Hotels
Teilansicht des Gartens des Pal Garh Hotels

Am nächsten Morgen genieße ich den Blick über die Dächer von Pal. Im Hof nebenan sitzt ein Mann mit rotem Turban im Hauseingang. Er schaut mich an, verzieht keine Miene.

Durch den Hotelgarten führen gepflasterte Wege. Ein Springbrunnen bildet die Mitte des Gartens. Inmitten von Korallenbäumen und weißen und roten Frangipani stehen Sitzgruppen. Noch ist es zu kühl, weshalb ich im Restaurant frühstücke. An den Wänden unzählige Schwarzweiß-Fotos mit lokaler und internationaler Prominenz. Prince Charles fehlt auch hier nicht.

Die Luft erwärmt sich schnell, weshalb ich die letzte Tasse Kaffee im Garten genieße. Durch Arkaden gelange ich zu den unteren Gästezimmern. Zwischendrin orientalisch anmutende Sitzgruppen. Grüne Nymphensittiche huschen durch die Luft.

Stadtpalast Umaid Bhawan, Jodhpur
Stadtpalast Umaid Bhawan, Jodhpur

Hemraj wartet. Auf dem Weg nach Jodhpur kommen wir an zwei Slums vorbei. Der Anblick berührt mich immer wieder. Mich trennen das Blech und die Geschwindigkeit unseres Autos von erdrückendem Mitgefühl. In Jodhpur werden die Straßen besser. Keine Slums. Die Stadt ist mit ca. 3,8 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Rajasthans. Ihren Wohlstand haben die Einwohner dem Export von Marmor und Sandstein und der Textilindustrie zu verdanken.

Kishan Singh, der Reiseführer für Jodhpur steigt ins Auto. Zuerst fahren wir zum Königspalast „Umaid Bhawan“. Die Könige aus der Rathore-Dynastie herrschten bis 1947 über das Marwar-Reich, was „Land des Todes“ („Land of Death“) bedeutet. Die Wüste stand Pate bei der Namensgebung.

Nach einer fünfjährigen Trockenzeit befahlt der König 1929 den Bau eines Königspalastes, um die Bevölkerung zu beschäftigen. Innerhalb der nächsten 14 Jahre entstand der Palast zum Wohl des Volkes, wie überhaupt alles, was die Könige von Marwar und Menar (Udaipur) befahlen, einzig dem Wohl ihrer Völker diente. Der rote Sandstein kam aus den umliegenden Steinbrüchen. 1943 wurde der Palast fertiggestellt.

Thronsaal mit Bildern gemalt von Stefan Norblin (GB)
Thronsaal mit Bildern gemalt von Stefan Norblin (GB)

Auch in diesem Palast waren Frauen und Männer in zwei von einander getrennten Flügeln untergebracht. Lediglich Eunuchen und der König selbst hatten Zugang zum Harem. Den Debatten des Königs mit seinen Ministern konnte die Königin gut geschützt vor Männerblicken lauschen. Durch einen Sekretär ließ sie ihren Mann gelegentlich wissen, wenn sie mit Entscheidungen nicht einverstanden war.

Die Menschen sind mächtig stolz auf ihr Königshaus und darauf, dass einer ihrer Könige ein begnadeter Pilot und Initiator der indischen Luftwaffe war, weshalb deren „Control Room“ heute noch in Jodhpur liegt. Leider verunglückte der König mit dem Flugzeug tödlich.

Im Palast sehe ich wieder die bereits aus Udaipur bekannten Geschenke der Britischen Kolonialherren. Der König vertraute nicht nur britischen Architekten, auch britische Künstler schmückten u.a. seinen Thronsaal. Deshalb tragen die Gesichter in den Bildern klassische europäische Züge.

Abschließend führt mich Kishan an der Oldtimer-Sammlung des Königs vorbei. Rolls Royce, Cheverolet und weitere Luxusmarken, aber auch zwei Fahrzeuge von Morris. Mittendrin etwas verloren ein gelber Mercedes C-Klasse aus den 70ern. Alle Autos sollen fahrbereit sein.

Heute ist der Palast zur Hälfte ein First-Class-Hotel. Die andere Hälfte teilen sich ein Museum und der König mit seiner Familie.

Auf angrenzenden Flächen entstanden und entstehen Villen für Wohlhabende.

Mehrangarh Fort, 1459 gebaut von Rao Jodma
Mehrangarh Fort, 1459 gebaut von Rao Jodma

Vom Königspalast geht es zum größten Fort in Nordindien, dem Mehrangarh Fort. Hoch oben auf einem Felsen thront diese Burg, mit deren Bau 1459 begonnen wurde. Der Aufzug bringt uns zum Innenhof der ersten Etage. Von hier aus überblickt man ganz Jodhpur und erkennt schnell, weshalb sie auch „die blaue Stadt“ genannt wird. Blau soll die Häuser vor Hitze schützen.

Über uns liegen weitere zwei Etagen, jede mit einem eigenen Innenhof. Auch im Fort waren die Gemächer der Frauen und Männer strikt getrennt. Die Räume der Frauen erkennt man an den Fenstern mit Sichtschutz.

Table Dance Raum, zum Vergnügen der Gäste
Table Dance Raum, zum Vergnügen der Gäste

In einem Raum werden Babybetten ausgestellt. Ich habe sie nicht gezählt. Nachdem ich hörte, dass ein König 48 Kinder gezeugt haben soll, war mir alles klar.

Beim Gang durch die Räume und Säle des Forts erinnere ich mich an die mit Erotik getränkten Geschichten aus „Tausendundeine Nacht“. (Ich empfehle die Komplettausgabe von Claudia Ott.) Es muss hier noch schlimmer oder schöner zugegangen sein, als in den Märchen – je nach eingenommener Perspektive des Betrachters.

Unter musikalischer Begleitung verlassen wir das Fort.

Übrigens: die Burg diente in einer Szene von „Batman – Darknight Rise“ als Kulisse.

Zugang zur Babybetten-Ausstellung
Zugang zur Babybetten-Ausstellung

Wir verabschieden uns von Kishan und fahren weiter Richtung Westen zum Samsara Desert Camp.