Spice Market und jüdisches Viertel

Während wir die St. Francis Church verlassen, werde ich Zeuge einer Demonstration von Schülerinnen gegen Drogen. Vorneweg die Fußgängerinnen, dahinter eine lautstarke Band und am Ende eine Gruppe von Radfahrerinnen. Alle mit selbstgemachten Plakaten: „Stop drugs“. Während sich Deutschland auf die Legalisierung von Cannabis freut, protestieren am anderen Ende des Globus junge Leute gegen eben diese Legalisierung. Ich will mir nicht vorstellen, welche Erfahrungen einige von ihnen daheim mit zugedröhnten Familienmitgliedern gemacht haben.

Schülerinnen demonstrieren gegen Drogen
Schülerinnen demonstrieren gegen Drogen

Auf dem Weg zum Auto gehen wir noch einmal am Strand von Kochi entlang und schauen uns die Arbeit mit chinesischen Fischernetzen näher an. Die gewaltigen Netzkonstruktionen hängen an Seilen, die über zwei im rechten Winkel angebrachte Ausleger laufen und am anderen Ende mit schweren Steinen versehen die Balance halten. Zwei Fischer laufen über den Ausleger in Richtung Netz und lassen es so ins Wasser. Nach kurzer Zeit laufen sie wieder zur Mitte, woraufhin sich das Netz aus dem Wasser hebt. Heute Morgen bleiben die Netze meistens leer.

Während die einen ihr Glück weiter versuchen, pflegen andere Fischer ihre herkömmlichen Netze und Fischverkäufer hoffen auf gute Kundschaft.

Auf der Autofahrt erwähne ich kurz den gestrigen Wolkenbruch. Rajesh spricht von einem zweiten Monsun – einer zweiten Regenzeit – und sieht einen Zusammenhang mit der globalen Klimaerwärmung. In diesem Jahr war der erste Monsun für die Küstenbewohner bereits katastrophal. Es trifft zuerst die Ärmsten.

Wir sind im jüdischen Viertel angekommen. Große Schilder heißen uns mit Shalom willkommen. Zuerst gehen wir in den Spice Market, einer von Frauen gegründeten Kooperative zum Vertrieb von Gewürzen, Schmuck, Textilien und allem, was ihre Familien in Heimarbeit herstellen. Fässer mit Gewürzen, fertige Gewürzmischungen, Tees, Kaffee, ein Webstuhl, edle Schals, Hemden, Blusen, Saris. Ich kann mich nicht sattsehen. Und zwischen all den Frauen ein Bild von König Charles. Er und Camilla hatten den Laden der Kooperative besucht.

Vertriebskooperative von Frauen
Vertriebskooperative von Frauen

Mit einer der Damen tausche ich mich über Rezepte für Fisch-Curry aus. Meines sei eher nordindisch, sagt sie. Ihres hört sich irgendwie feiner an. Ich kaufe die zugehörigen Gewürze.

Die Frauen verstehen ihr Geschäft. Ich soll nicht kaufen, aber sie würden sich über eine Unterstützung ihrer Kooperative sehr freuen. Verstanden. Zum Dank schenkt mir eine von ihnen ein Heft mit indischen Rezepten.

Mit Rajesh eile ich zur jüdischen Paradesi-Synagoge. Seit 1524 steht die jüdische Gemeinde unter dem Schutz des Maharaja von Cochin. So konnte 1568 die Synagoge in unmittelbarer Nähe zum Königspalast errichtet werden. Das Wort „Paradesi“ hat in vielen indischen Sprachen die Bedeutung „Fremder“. Da die Synagoge von Fremden gebaut wurde, allen voran von spanischen Juden, bot sich dieser Name an.

Zu ihrem 400. Geburtstag legte Indien eine Briefmarke mit einer Zeichnung der Synagoge auf.

Vor der Synagoge ist eine kleine Polizeistation. Hinter der „Klönschnacktür“ steht ein sympathischer Polizist und grüßt herzlich. Am Eingang ist ein kleiner Briefkasten für Beschwerden angebracht. Es sieht nicht so aus, als würde dieser Briefkasten häufig genutzt.

Rajesh führt mich auf einer Abkürzung zum Königspalast durch die Werkstatt eines Restaurators. Ich kann meinen Augen nicht trauen. Ein Fundus von alten Holzskulpturen, Türen, Fenstern, Tischen, Schränken lässt mich nur staunen. Und wieder dieses harmonische Nebeneinander von Skulpturen aus unterschiedlichen Religionen. Mutter Gottes und Jesus am Kreuz neben Gott Garnesha, uralten hinduistischen Tempelpforten und -giebeln.

Abkürzung durch die Werkstatt eines Restaurators
Abkürzung durch die Werkstatt eines Restaurators

Unsere letzte Station für heute ist der Königspalast. Wieder kunstvoll gestaltete Holzdecken, Sänften für die Damen und Herren des Hofes und Fenster mit Blick auf den Glockenturm der benachbarten jüdischen Synagoge.

Für heute reicht es mir. Ich lade Rajesh und Sabu zum Mittagessen ein. Sabu winkt ab. Er will später daheim essen. Rajesh nimmt die Einladung etwas zögerlich an. Inder essen am liebsten daheim. Ich gönne mir einen typischen local fish mit Reis und Gemüse.