Udaipur – Oase am Rande der Wüste Thar

Die Nacht war kalt. Nach Einbruch der Dunkelheit fallen die Temperaturen bis auf 14°, 15°C. Die Einheimischen beschreiben Udaipur als Oase in der Wüste, und in der Wüste wird es nachts sehr kalt.

Kanäle verbinden vier Stauseen zu einem großen Frischwasserspeicher der Stadt und ermöglichen inzwischen rund 800.000 Menschen ein angenehmes Leben.

Mukesh, der Reiseführer, und Hemraj, der Fahrer
Mukesh, der Reiseführer, und Hemraj, der Fahrer

Um 8:00 Uhr begrüßt mich Hemraj, mein Fahrer für die nächsten Tage. Wenig später kommt Mukesh hinzu. Er ist Reiseführer für Udaipur und spricht hervorragend Deutsch.

Ich solle die Inder immer mit „Ram Ram“ grüßen, es mache sie stolz, wenn ausgerechnet ein Ausländer diese Begrüßungs- und Abschiedsformel spricht.

Zuerst fahren wir zum Stadtpalast am Ufer des Pichola Lakes. Die Fahrt durch die Altstadt führt vorbei am Rosengarten, dem größten öffentlichen Garten in Indien. An einem Kreisverkehr steht eines von 11 ehemaligen Stadttoren, durch die Elefanten passen mussten.

Der Stadtpalast vom Pichola See aus
Der Stadtpalast vom Pichola See aus

Durch ein Tor fahren wir in das Hoheitsgebiet des Königs, dem Maharana bzw. dem „Größten Kämpfer“. Der König gehört zur Kaste der Krieger. Im 16. Jhd. wurde der Grundstein zum Stadtpalast gelegt und anschließend von 22 Maharanas weitergebaut. Der Stadtpalast von Udaipur ist der zweitgrößte Palast in Indien. Der 22. Maharana war gelähmt und investierte u.a. in ein Krankenhaus. Der 23. Maharana war sein Adoptivsohn und Vater des jetzigen Herrschers, Shreeji Arvind Singh Ji Mewar.

Der heutige König betreibt ein weitläufiges Firmenkonsortium mit Hotels, Tourismusunternehmen, Krankenhäusern, diversen Instituten und einer Stiftung.

Der Stadtpalast diente vielen Filmen als Kulisse, u.a. „Octupussi“, „Der Tiger von Eschnapur“ und „Das Indische Grabmal“. Kürzlich erst wurde hier ein deutscher Film gedreht, u.a. mit Ruth Maria Kubischek. Mukesh war tagelang ihr Reiseführer.

Ein Flügel des Palastes war den Herren des Hofes vorbehalten, der andere den Frauen. In den Räumen werden Bilder ausgestellt, die das Leben im Palast und auf den Schlachtfeldern veranschaulichen. Hier und da stehen Sänften. Einzelne Zimmer können in ihrer ursprünglichen Ausstattung betrachtet werden, beispielsweise das kunstvoll verspiegelte Schlafzimmer des Königs.

Ehemaliges Schlafzimmer des Königs
Ehemaliges Schlafzimmer des Königs

Während der Kolonialzeit behielt das Mewar-Reich weitestgehend seine Souveränität. Engländer zeigten sich für die Kooperationsbereitschaft des Königs äußerst dankbar. Viele Zimmer sind mit Fliesen aus England, Belgien und den Niederlanden ausgestattet. Bunte Glasscheiben aus Belgien war bei den Königen beliebt. Aus italienischer Fertigung sind zwei benzinbetriebene Ventilatoren – einer für den König, der andere für seine Frauen.

Blick auf den Taj Lake Palast vom Stadtpalast aus
Blick auf den Taj Lake Palast vom Stadtpalast aus

Mit einem Boot fahre ich über den Pichola See. Wir machen an der Jagmandir-Insel fest, deren Palast im Rahmen eines Hochzeitsangebots für ganze € 130.000 gemietet werden kann. Im Preis inbegriffen sind Catering und Unterbringung. Um 13:00 Uhr wird heute die Insel für Besucher gesperrt, weil die Vorbereitungen für eine Hochzeitsfeier laufen.

Hochzeitsvorbereitungen auf der Jagmandir-Insel
Hochzeitsvorbereitungen auf der Jagmandir-Insel

Nachmittags fahren wir zurück in die Neustadt und besuchen eine Künstler-Kooperative. Sie reproduzieren Gemälde aus dem Palast und malen mit Mineralfarben auf Papier, Seide und Kamelknochen. Sonntags gehen die Maler in die Berge und sammeln Mineralien, aus denen sie Farben herstellen, die selbst bei direkter Sonneneinstrahlung ihre Strahlkraft behalten. Das garantieren die Künstler für 70 Jahre.

Herstellung der Farben
Herstellung der Farben

Gleich nebenan ist eine Schneider-Kooperative untergebracht. Sie fertigen innerhalb eines Tages Damen- und Herrenmode nach Maß an. Zur Kooperative gehören 40 Schneiderinnen und Schneider, alle sind miteinander verwandt.

Zum Schluss machen wir noch einen Abstecher zum „Frauengarten“. Einst sollen einem König anlässlich seiner Hochzeit 48 Frauen geschenkt worden sein. Er war mit dem Geschenk überfordert, behauptet zumindest Mukesh. Als guter Herrscher ließ er für die 48 Damen den Frauengarten anlegen, mit Springbrunnen, Schwimmbad und vielen gemütlichen Verstecken, die in den Abendstunden gerne von jungen Leuten aufgesucht werden.

Eingang zum Frauengarten
Eingang zum Frauengarten

Um 16:00 Uhr verabschiede ich mich mit einem letzten „Ram Ram“ von meinem Reiseführer. Ich bin erschlagen von den vielen Informationen und von der Schönheit dieser Stadt. Udaipur ist eine reale Märchenwelt.